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Ergebnisse liegen vor – Befragung des AK Diversity

Vom Arbeitskreis „Diversity“ der EVHN initiiert läuft ein Prozess zur Umsetzung des Diversity-Gedankens an der Hochschule. Um die Studierenden mit einzubeziehen, wurde im Dezember 2019 über Stellwände an der Hochschule eine Befragung aller Studiengänge gemacht, wie sie den Umgang mit Vielfalt und Ungleichheit an der Hochschule einschätzen. Die Auswertung liegt nun vor. Es sind drei Hauptaspekte, unter denen sich die Angaben insgesamt gruppieren lassen: (1) Stärkere Anerkennung der individuellen Lebenslage (Beruf, Familie, Nebenjobs, Bildungsherkunft) durch die Angebotsformate und die Hochschulregularien; (2) Forderung einer deutlichen Ausweitung von Flexibilitäten sowohl in den Hochschulangeboten wie auch hinsichtlich der Lebenssituation von Studierenden; (3) Positive Wahrnehmung des Umgangs mit Vielfalt im Bereich Migration.

Dieser Prozess orientiert sich an dem Modell von Bommers und Nietschke (2012) in Anlehnung an Gardenswartz und Rowe (1994) und will die Vielfalt der Organisation als wichtige Ressource würdigen und nützen.

Auf einer Klausurtagung im Herbst 2019 wurde bereits eine Befragung von Lehrenden und Verwaltungskräften durchgeführt, welche Aspekte des Diversity-Gedankens bereits zufriedenstellend wahrgenommen werden und welche Handlungsbedarf zeigen.

 

Auswertung der Stellwandaktion mit Studierenden vom 12/2019

Stellwände zu „Ein guter Umgang mit Vielfalt bedeutet für mich…“

Es gibt einen großen Block von Antworten, die sich um das Thema Individualität gepaart mit Heterogenität drehen, die Ausdruck spezifischer Vorstellungen über das Zusammenleben/ Zusammenstudieren unterschiedlicher Menschen sind. Hierzu gehören v.a. Aussagen bzw. Begriffe wie:

Offenheit, Anerkennung, Akzeptanz, Respekt, Toleranz, Wertschätzung, „sein zu können wie ich bin“, „man selbst sein dürfen und andere sie selbst lassen“, „jeden respektieren, so wie er ist“, „Akzeptanz von jeder Person“.

 

Zentrale Dimensionen

Davon ausgehend sind es dann vor allem zwei Richtungen, in die diese Wert- bzw. Handlungsforderungen weisen, einerseits zeigt sich eine Kombination mit dem Thema Freiheit (Meinungsfreiheit, Entwicklungsfreiheit, Religionsfreiheit, Selbstentfaltungsfreiheit etc.), andererseits gibt es eine, jedoch in den Quantitäten deutlich geringer ausgeprägte, Verknüpfung mit dem Thema Gerechtigkeit (gendergerechte Sprache, Gleichberechtigung).

Die Auswertung der prominenten Begriffe zeigt auch deutlich, dass die Begriffe Akzeptanz, Toleranz, Respekt, Individualität fördern/ausleben können, Offenheit, Persönlichkeit einbringen, die am häufigsten genannten Begriffe sind. Es ist hierbei nicht in jedem Fall ersichtlich, auf wen oder was die jeweiligen Begriffe abzielen, ob es sich also um eine Anforderung an Individuen handelt oder ob hier auf das Verhalten der Hochschule gegenüber Studierenden bzw. Mitarbeitenden abgezielt wird.

Dass eher auf Gerechtigkeitsaspekte abzielende Begriffe wie Gleichberechtigung sowie gendergerechte Sprache in nur geringem Maße genannt wurden ist einerseits interessant, markiert andererseits aber durchaus eine Herausforderung für eine auf Inklusion abzielende Institution.

 

Freiheits- und Gerechtigkeitswerte

Zwei Interpretationsmöglichkeiten bieten sich für dieses Ungleichgewicht an. Eine Interpretation koppelt sich an die je individuelle Bedeutsamkeit von Freiheits- vs. Gerechtigkeitswerten und käme entsprechend zu dem Schluss, dass individuellen Freiheitswerten ein deutliches Übergewicht zukommt und Studierende unter dem label Vielfalt vor allem die Erzeugung und Aufrechterhaltung von „Buntheit“ bei Sicherstellung von Individualität verstehen. Man könnte mit Blick auf zeitdiagnostische Arbeiten vermuten, dass dies durchaus auch den aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen und den dort geäußerten Schwerpunktsetzungen entspricht. Eine andere Interpretationsmöglichkeit würde darauf abzielen, dass man vor allem diejenigen Dinge nennt, die man als bedrohter (oder weniger realisiert) ansieht. Ob diese zweite Interpretation zutrifft, kann jedoch aufgrund der meist schlagwortartigen Formulierungen nicht entschieden werden.

Interessant ist zudem, dass Begriffe, die einen Bezug „oberhalb“ des Einzelnen haben (wie etwa Gemeinschaftsempfinden oder auch Integration bzw. Unterstützung) kaum genannt werden. Vielfalt wird scheinbar eher als ein Zusammenleben von in sich abgeschlossenen Individuen verstanden, mit ihren je eigenen Auffassungen, Vorstellungen, Überzeugungen, und der Umgang miteinander soll dann vor allem durch Akzeptanz und Toleranz geprägt sein.

Mit Blick auf die Diskussionen über den Freiheitsbegriff (klassisch hierzu Isaiah Berlin „Freiheit: Vier Versuche“) könnte man sagen, es geht vor allem um das, was Berlin negative Freiheit nennt, also um „Freiheit von“ und weniger um positive Freiheit also „Freiheit zu“.

 

Vielfalt als Wertbegriff

Jenseits dieser Fragen ist es jedoch durchaus erstaunlich, dass Vielfalt von den Studierenden (darauf deuten ja die meisten der genannten Begriffe hin) ein Wertbegriff ist und weniger ein Beschreibungsbegriff für die Organisation des Zusammenlebens von Personen (bei Gabrielle Blell (2017) findet sich hier die Unterscheidung eines normativen und eines analytischen Verständnisses von Vielfalt). Auf Letzteres zielen die nur selten genannten Begriffe wie Barrierefreiheit, Mütter/Familie. Dies mag möglicherweise mit der ausgeprägten Homogenität der Lebensumstände der meisten Studierenden zu tun haben, d.h. mit der Tatsache, dass wir es mit jungen, ungebundenen Personen zu tun haben, deren strukturelle Lebensumstände sich ähneln und deren Forderungen vor allem auf die Akzeptanz ihrer gerade erst erworbenen Individualität abzielen.

Dies würde auch erklären warum die Themen Gerechtigkeit bzw. Gleichberechtigung eine nur geringe Rolle im Hinblick auf das Vielfaltsthema spielen. Gerechtigkeitsfragen sind vor allem gruppenbezogene und weniger individuelle Problematiken (individuell findet man dann eher Diskriminierungsproblematiken, die jedoch, bis auf eine Ausnahme, keine Rolle bei den Nennungen spielen), was an den wenigen Stellen deutlich wird, wo es etwa um gendergerechte Sprache oder auch um Bevorzugung/Benachteiligung von Geschlechtern in Lehrveranstaltungen geht oder eben um die Möglichkeiten für Mütter.

 

Stellwände zu „Beurteilung der Situation auf Basis unterschiedlicher Merkmale“

Bezüglich der Beurteilung der Situation an der Hochschule durch die Studierenden lassen sich ebenfalls interessante Aspekte herausarbeiten. Hier wurde bereits vorab eine Zuordnung zu spezifischen Gruppierungsmerkmalen vorgenommen, so dass man sowohl entlang wie auch quer zu diesen Gruppierungen analysieren kann.

 

Flexibilität als zentraler Aspekt

Das Thema Flexibilität spielt hier bereichsübergreifend eine große Rolle. So finden sich sowohl im Bereich „sozioökonomische Lebenssituation“ wie auch „Fürsorgeaufgaben“ eine Vielzahl an Angaben, die auf ein Mehr an Flexibilität der Hochschule gegenüber studentischen Lebensumständen (Arbeitsnotwendigkeiten etc.) insistieren: weniger starre Stundenpläne, Online-Lehre etc. Insgesamt ist jedoch, bei einem Überhang an Defizitdiagnose, auch hier ein teilweise gespaltenes Bild vorhanden. Während einige die „Starrheit“ auch als hilfreich und entlastend empfinden, empfinden andere diese als einschränkend.

Bezüglich der Merkmale Migrationshintergrund und Hautfarbe weisen die Rückmeldungen auf keinen akuten Handlungsbedarf hin.

Beim Thema geistige/körperliche Beeinträchtigungen überwiegen die negativen Rückmeldungen deutlich. Diese beziehen sich vor allem auf die baulichen Aspekte des Gebäudes, was im Zuge eines Umzuges ja auch bereits Thema ist.

Bei den Fürsorgeaufgaben – ähnlich wie beim sozio-ökonomischen Hintergrund überwiegen ebenfalls die Negativeinschätzungen. Diese gruppieren sich vor allem um die bereits angeführte Zentraldimension der Flexibilität (hier bezogen vor allem auf das Thema „(Neben-)Job“ bzw. „Familie“. Allerdings lässt sich auf Basis der hier gesammelten Rückmeldungen nicht genau sagen, was unter Flexibilität gefasst wird. Eine – aufgrund von Personalressourcen nur schwerlich realisierbare Reaktion – wäre eine massive Ausweitung des parallelen Lehrangebots, so dass die gleiche Veranstaltung zu unterschiedlichen Zeiten besucht werden kann. Dies hätte jedoch auch zur Konsequenz, dass die Integriertheit der Studiengruppen damit reduziert werden müsste.

Hinsichtlich der Arbeitsaufträge (individuell-fachlich) zeigt sich ein eher gespaltenes Bild, wobei dieselben Organisationseinheiten mal positiv, mal negativ wahrgenommen werden.

Während der Umgang mit den Merkmalen Geschlecht und Religion als überwiegend positiv eingeschätzt wird (was beim Merkmal Geschlecht vielleicht auch mit der Dominanz eines Geschlechts und der damit vorhandenen geringen Heterogenität zu tun haben kann), scheint es beim Thema Umgang mit dem Bildungshintergrund der Studierenden durchaus noch Verbesserungsbedarfe zu geben. Die Negativangaben hier decken sich mit den Anmerkungen zum Diversitätsthema Hochschulzugangsberechtigung. Auch hier findet sich eine Thematik, die auch im Bereich des Verständnisses von Diversität eine große Rolle zu spielen scheint: die Anerkennung des je Einzelnen in seinen Voraussetzungen und dem was er/sie mitbringt.

 

Zusammenfassende Systematisierung

Es sind unseres Erachtens vor allem drei Hauptaspekte, unter denen sich die Angaben insgesamt gruppieren lassen: (1) Stärkere Anerkennung der individuellen Lebenslage (Beruf, Familie, Nebenjobs, Bildungsherkunft) durch die Angebotsformate und die Hochschulregularien; (2) Forderung einer deutlichen Ausweitung von Flexibilitäten sowohl in den Hochschulangeboten wie auch hinsichtlich der Lebenssituation von Studierenden; (3) Positive Wahrnehmung des Umgangs mit Vielfalt im Bereich Migration.

 

Nürnberg, Juli 2020,  AK Diversity

Das Diversity Konzept der EVHN finden Sie hier: www.evhn.de/diversity